Interview mit TALES
Am 30.05.97 stand uns Jean-Luc Hervé Berthelot alias "Tales" via Email Rede und Antwort.

Zunächst einmal: Kannst Du uns etwas über Deine Person erzählen? Wo kommst Du her? Wie alt bist Du? Was machst Du, wenn Du keine Musik machst?

Ich wurde in Drancy geboren, einer kleinen Stadt in der Nähe von Paris. Ich bin 43. Musik ist wahrlich die Leidenschaft meines Lebens, und wenn ich außerhalb von zu Hause arbeite, habe ich immer Musik im Kopf; es ist wirklich eine Leidenschaft.
Ich führe drei Leben an einem Tag: Morgens versuche ich, Somewhere In Time Records zu managen. Nachmittags arbeite ich an einer Hochschule in der Nähe von Paris, wo ich die Stundenpläne von Studenten und Professoren bearbeite (Ich habe eine kleine Familie zu unterhalten und ein Studio zu bezahlen). Nachts (meine bevorzugte Tageszeit) mache ich Musik für TALES. Und manchmal schlafe ich.

"Pictures of Asia" ist die erste CD von "Tales". Hast Du vorher schon Musik veröffentlicht?

"Pictures of Asia" ist meine erste internationale Veröffentlichung. Zuvor habe ich schon einige Titel nur in Frankreich veröffentlicht. Um 1972-1973 schrieb ich mit einem Freund zwei Stücke für eine moderne Ballettgruppe. Die Musik war sehr unkommerziell, zu progressiv, wirklich schwierig zu hören. Plattenfirmen sind wahrlich ängstlich.
Ca. 1975 tourte ich 4 Jahre (als Bassist! - jawohl - und Arrangeur) mit Rocky Fury, der Band meines älteren Bruders, der ein semiprofessioneller Rock'n'Roll-Sänger war. Ich schrieb einige Titel und produzierte alle seine Studioarbeiten. 1978 gab ich einige Konzerte alleine mit Keyboards und Synthesizern unter dem Namen "Jihel". Ich produzierte ein Masterband, das als LP veröffentlicht werden sollte ("Ohazice" war der Titel), aber die Plattenfirmen mochten es nicht. Ich war zu dieser Zeit zu stark von Klaus Schulze und Tangerine Dream beeinflußt.

Seit wann machst Du Musik? Wie fing es an?

Mein älterer Bruder beeinflußte mich sehr, als ich 6 war, indem er Platten aus England kaufte. Ich erinnere mich sehr gut an die ersten Platten der Yardbirds, Kinks, Pretty Things und einige Jungs wie The Who, The Beatles und The Rolling Stones. Britischer Rock begleitete meine Kindheit.
Als ich 7 war, kaufte mir mein Bruder eine kleine Gitarre, und ich fing an, ziemlich merkwürdige Musik zu spielen. (Hunde und Katzen mochten sie nicht, meine Eltern auch nicht).
Mit 15 fing ich an, Gitarre in einer College-Band mit dem merkwürdigen Namen "Cortico Stimuline” zu spielen. CS war eine Cover-Band. Wir spielten Titel von Led Zeppelin, The Who und unternahmen einige Ausflüge ins Pink Floyd-Land.
Ich hatte ein bißchen klassischen Flöten- und Klavierunterricht, aber die Gitarre war das erste Instrument, das ich liebte.
Ein Jahr später sah ich den Mini Moog in einer Musikausstellung in Paris. Das hatte eine große Wirkung auf mich. Ich wurde Synth-Liebhaber. Ich spielte mit CS über 3 Jahre, aber parallel dazu kaufte ich mir meinen ersten Synthi (einen EMS VCS3) und begann, Geräusche zu machen.
Während der 80er schrieb ich einige Titel und Themen für Dokumentarfilme und für ein Projekt, das langsam in meinem Kopf heranwuchs: TALES.
Von 1991 an baute ich an einem unabhängigen Studio für dieses Projekt. Aber einige Plattenfirmen lehnten das Projekt ab, und ich entschied mich, völlig unabhängig zu werden: Somewhere In Time Records & Music Publishing war geboren (und mein Bankberater wurde zu meinem Feind, aber das ist eine andere Geschichte).

Warst Du jemals in Asien? Wie kam es dazu, daß Du asiatisch klingende Musik machst?

Ich kenne Asien nur durch Musik, Dokumentarfilme und Bücher. Ich habe viel ethnische Musik aus Asien gehört, und ich mag die Idee einer musikalischen Fusion zwischen meiner europäischen und der asiatischen Kultur.

Du sagst, Du hast keine Computer-Sequenzer benutzt bei "Pictures of Asia". Warum? Was für ein Equipment benutzt Du?

Ich mag keine Computer-Sequenzer zum Musikmachen. Ich ziehe die Methode der "alten Schule" vor: Das Band läuft, und ich nehme Teile in Echtzeit auf. Wenn ein Teil fehlerhaft ist, spiele ich ihn wieder und wieder. Wenn Du die fehlerhaften Sachen am Computer editierst, spielst Du ja nicht wieder Dein Instrument. Für mich ist es immer ein Vergnügen, mein Instrument nochmal zu spielen. Ich bin völlig in die Musik vertieft, wenn ich spiele. Meine Augen sind oft geschlossen. Ich glaube, ein Computerbildschirm würde mich zu sehr ablenken. Alle Loops in "Pictures of Asia" sind in Echtzeit gespielt, wobei ich ein Digital Delay verwendet habe.
Ich bin nicht gegen Computer. Ich mag und benutze diese guten Werkzeuge jeden Tag. Ich schreibe Stücke am Computer, ich speichere meine Synthesizer-Sounds auf einem Computer, ich schicke Dir dieses Interview mit einem Computer, ein Computer wird zum Mastern meiner Musik verwendet.

Ich möchte nicht über mein Equipment sprechen, weil ich denke, es ist nicht wirklich wichtig. Die Ideen, die Emotionen in der Musik und das Ergebnis sind es, was am Ende zählt. Ich benutze hochwertige Standard-Synthesizer, die jeder kaufen kann, keine merkwürdigen oder teuren Teile. Mein Studio ist eine Mischung aus analogen und digitalen Komponenten: ein analoges Mischpult - ich mag die Vorstellung von einem Pult ohne Knöpfe nicht - und digitale Mehrspurrekorder.

Wie sieht's mit dem Erfolg dieser CD aus? Du hast viel Promotion gemacht. Wie viele CDs hast Du verkauft?

Mit dieser Platte wollte ich vor allem die Musik von TALES weltweit bekannt machen, ohne Verkaufsabsichten im Kopf zu haben (das ist ein Grund, warum mein Bankberater zu meinem Feind wurde). Ich habe mehr als 1000 Promo-CDs weltweit an Radios, Magazine, Vertriebe, Web-Sites etc. vergeben.
Nach 7 Monaten ist das Ergebnis sehr positiv - vor allem in den USA (es ist eine großartige Ermutigung für mich und meine Musik), und das Presswerk arbeitet wieder für TALES (die nächsten 1000).
Aber ich bin Realist. Ich weiß, daß der Markt für diese Musik sehr klein und sehr spezialisiert ist. Ich habe 500 CDs an Vertriebe in den USA verkauft, und ich hoffe, die gleiche Anzahl in Europa zu verkaufen. Ich verteile immer noch Promo-CDs in Europa.

Wer ist Helena? ;-)

Helena ist ein sehr nettes Mädchen ;-)
Helena ist meine Tochter. Sie ist 9 und ein Fan von TALES (und von den -äh- Spice Girls), und sie hat das Cover der nächsten TALES-CD gemalt.

Du hast die zweite "Tales"-CD für September 97 angekündigt. Wird sie vergleichbar sein mit "Pictures of Asia" oder wird sie anders klingen?

Nein, es ist eine andere Geschichte. Die Atmosphäre ist ganz anders, und das Hauptthema spielt in der sehr alten vor-keltischen europäischen Kultur. Ich gebe Dir den Titel im Juli.
Jede CD von TALES ist ein Konzeptalbum, ein Geschichten-Album. I habe schon das Thema für die dritte CD, und sie wird völlig anders sein als die zwei davor.

Welche Art von Musik hörst Du, wenn Du nicht gerade Deine eigene Musik spielst?

Ich bin sehr wählerisch bei der Musik, die ich höre. Diesen Monat höre ich Depeche Mode, Vangelis, Roxy Music (mit Eno), Tangerine Dream, Vivaldi, Musik aus Vietnam und Thailand, The Orb, Kraftwerk und manche Titel von Keith Emerson.

Was sind Deine Pläne für die Zukunft?

Zur Zeit nehme ich 3 Titel auf für einen Space Music-Sampler in den USA (erscheint im Oktober).
Die zweite TALES-CD wird im September erscheinen, und ich mache die Aufnahmen für die dritte CD (1998).

Und für die Zukunft bin ich hauptsächlich ein Musiker, der Musik liebt und der den Hörern mehr Vergnügen bereiten möchte...


Die Fragen stellte Frank Korf. Dank an Christian Baum für die Hilfe bei der Übersetzung.