Die 80er waren die große Zeit der immer neuen Syntheseformen. Wann immer ein Hersteller seinen neuesten Synthesizer auf den Markt warf, konnte man sicher sein, dass dieser auch über eine "völlig neue" Synthese verfügte. So auch der 1988 erschienene SQ80, seines Zeichens "Crosswave Synthesizer". Unter dieser zunächst ungewohnten Bezeichnung versteckt sich allerdings (wie auch bei den meisten anderen "neuen" Synthesen) die altbekannte subtraktive Synthese. Allerdings unterschied sich der SQ80 doch sehr von den damals mehr und mehr aufkommenden ROMplern. So verfügt jede seiner 8 Stimmen über 3 unabhängige Oszillatoren, welche ihrerseits auf einen Vorrat von 75 Wellenformen zurückgreifen können, die ersten 32 davon waren bereits vom ESQ-1 bekannt. Dies klingt zunächst nur nach besserem ROMpler, doch die wahre Stärke des SQ80 liegt in seinen vielfältigen Modulationsmöglichkeiten: Hierfür stehen 3 LFOs und 4 Envelopes (Level/Rate-Modell, nicht ADSR) zur Verfügung - diese lassen sich auf wirklich jeden Klangparameter routen außer Wellenform (TransWaves gab es erst mit dem VFX) und Filterresonanz. Hier haben wir auch schon einen kleinen Wermutstropfen: Zwar verfügt der SQ80 über ein analoges Tiefpass-Filter pro Stimme (seinerzeit kam das Gerücht auf, es seien Digitalfilter, dies ist aber Nonsens), aber so richtig schmatzen und zirpen mögen diese nicht - und schon gar nicht bringt man sie zur Selbstoszillation. Dies ist übrigens keine Limitierung der Hardware sondern wird durch entsprechende Berechnung der Filterparameter von der Systemsoftware verhindert. Schade. Doch kommen wir zu den Stärken des SQ80: Die gute Wellenformauswahl sowie die extrem flexiblen Modulationsmöglichkeiten bescheren ihm ein sehr großes Soundpotential und so kann er gleichermaßen analog und warm klingen, aber auch digitale Kälte verbreiten. Und wer das Fehlen von Hard-Sync und AM bei digitalen Synthesizern stets beklagt hat, wird vom SQ80 angenehm überrascht. Auch lassen sich die Oszillatoren in einen "Free-Run"-Modus schalten, so dass diese - wie man es von analogen Oszillatoren her kennt - stetig durchlaufen und nicht bei jedem Tastendruck erneut beim Samplebeginn starten. Weitere Bonbons sind die zwei Pitch-Bend-Modi ALL (Pitch Bend wirkt auf alle Noten eines Kanals, auch auf gerade ausklingende) und HOLD (Pitch Bend wirkt nur auf gerade gespielte Noten, ausklingende Noten werden nicht "mitgezogen") sowie der polyphone Aftertouch: Der SQ80 ist einer der wenigen Synthesizer, die in der Lage sind, polyphonen Aftertouch zu verarbeiten bzw. zu versenden! Weiterhin lassen sich SQ80 quasi vernetzen: Aus der Erkenntnis heraus, dass sich mit nur 8 Stimmen sicher keine komplexen Arrangements zusammenstellen lassen, wurde dem SQ80 der sogenannte Overflow-Mode mitgegeben. Hierbei reicht der "Master"-SQ80 einem an ihn angeschlossenen "Slave"-SQ80 all jene Noten durch, die er selbst nicht mehr bewältigen kann. Dies ist insbesondere bei stimmenhungrigen Layer-Sounds, welche gleich zwei Stimmen pro gespielter Note verbraten, ein echter Knüller. Auch die Hüllkurven sind eher extravagant: Kein ADSR-Modell sondern Rate/Level-basiert verfügen diese über einen "Second Release"-Parameter, welche dem SQ80 zu einer Art Nachhall verhelfen. Weiterhin lassen sich die Hüllkurven in einen speziellen Modus schalten, der die Freunde von perkussiven Sounds sicherlich erfreut: Anstatt auf dem Sustain-Level zu verharren, wird die Hüllkurve von Anfang bis Ende in einem Rutsch durchlaufen. Ende der 80er kamen die ersten Workstations auf - auch der SQ80 kann sich hierzu zählen. Nicht nur ist er 9-fach (!) multitimbral, er verfügt auch über einen sehr leistungsfähigen On-Board-Sequenzer mit einer Speicherkapazität von 64kB. Dieser Speicher kann auf maximal 20 Songs, welche sich aus bis zu 60 Sequenzen zusammensetzen können verteilt werden - pro Sequenz stehen 8 Tracks zur Verfügung. Hervorzuheben ist die Qualität des Sequenzers, welcher über eine Vielzahl nützlicher Funktionen (z.B. Punch in/out, Step-Edit usw.) verfügt, gepaart mit einer wirklich musikerfreundlichen Benutzeroberfläche. Wer will, kann den SQ80 auch als reinen MIDI-Datenfresser missbrauchen, um z.B. die Klänge anderer Synthesizer per SysEx-Dump zu archivieren. Um all diese Datenmengen auch speichern zu können, verfügt er über ein eingebautes 3.5" Laufwerk. Leider wurde hier das proprietäre Diskettenformat des Ensoniq Mirage recycelt, so dass sich PCs teilweise sehr schwer tun, diese Disketten zu lesen. Als besonderes Zubehör wurde seinerzeit übrigens ein Nachrüstsatz verkauft, welcher dem SQ80 zu 8 Einzelausgängen verhalf. Heutzutage leider sehr rar und eigentlich gar nicht mehr zu bekommen - wie es überhaupt fast keine Unterstützung mehr für den SQ80 gibt. Zumindest etwas Hilfe bietet hier der Ensoniq Heaven. Fazit:Eine rundum gelungene Maschine mit einem sehr großen Klangpotential. Wer die Möglichkeit hat, einen SQ80 auf dem Gebrauchtmarkt zu erstehen, sollte zugreifen.
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Autor: Rainer Buchty | Ein Service von MEMI. |