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Mikrofone - Grundlagen in vier Teilen

Teil 3: Wie wähle ich das richtige Mikro?

 

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Ein Tag im Leben eine Homerecorders: Die Oma hat zum Geburtstag Geld überwiesen, was liegt also näher, als es sofort für ein neues Highlight im eigenen Studio auf den Kopf zu hauen. Jetzt muss endlich mal ein gutes Mikro her. Nur welches? Ein billiges t-bone für 350 Mark oder ein Rode für 1.400 oder eine Usi (U87) von Neumann für schlappe 3.700 Kröten? Wo sind da eigentlich die Unterschiede? Muss es eine Großmembran sein?

Ein Mikro ist nicht das Mittel zum Zweck!

Viele wollen das Mikro-für-alles, sozusagen ein Allround-Mikrofon. Nur das gibt es leider nicht. Zwar kann man bestimmte Mikrofone sehr vielseitig einsetzen, aber eben nicht für alles. Manche Sänger klingen z.B. mit Mikrofonen gut, die man sonst garnicht für Gesang einsetzen würde (Gary Moore singt ja angeblich immer in ein SM 57, welches man sonst über einer Snare oder vor einem Gitarren Amp findet).
Man muss ein Mikrofon als erstes Klang formendes Element sehen (WICHTIG!!), was letztlich viel mehr beeinflussen kann, als der beste EQ der Welt. Hierbei spielt nicht nur der Frequenzverlauf, sondern auch Impulsverhalten, Richtcharkteristik und der Sound bei aktiviertem PAD und Low Cut eine Rolle. Mit ein Vorteil von professionellen Studios ist ein wahres Arsenal an Mikrofonen, um immer das passende Teil zur Hand zu haben. Mit einem Mikro formt man viel einfacher einen bestimmten Sound, und man spart sich den EQ für wichtigere Dinge.

Warum es nicht das ideale Mikro gibt

Was mache ich jetzt, auf der Suche nach einem Mike? Wie finde ich das beste Teil für mich? Zum einen könnte man sich hier an die gängigen Standardmikrofone halten, die in Studios bzw. im Livebereich eigentlich immer verfügbar sind. Damit macht man sicherlich wenig falsch. Für den Homerecordingbereich hat das jedoch den Nachteil, dass die meisten Klassiker einfach relativ teuer sind. Für das Sennheiser MD 421 zahlt man beispielsweise deutlich über 600 Mark, obwohl es "nur" ein Dynamisches Mikro ist. Wer sich jetzt aber eine Usi kauft, und meint, er hätte das ultimative Teil, der irrt. Das Mikro muss immer zu der Schallquelle passen. So habe ich beispielsweise bei einer Pop-Rock-Produktion für den Sänger eine Usi und mein privates Audio Technika AT 4033a (etwa 900,--) verglichen (Wie man das macht? Später!) und mich für letzteres entschieden, da die Usi einfach zu weich klang und sich im Sound nicht richtig durchgesetzt hätte. Auch gibt es Standards, die anderswo keine sind. In Deutschland ist beispielsweise das Electrovoice RE 20 bzw. RE 27 das Blechbläsermikrofon schlechthin. In Amerika findet sich das Teil jedoch als Sprechermikrofon in fast jedem Studio und in jeder Radiostation. Und entgegen der landläufigen Meinung, Sprechermikros müssten immer Großmembrankondenser sein, ist das RE 20 ein Dynamisches Mikro.

Sie sehen also, selbst den Grundlagen (Dynamische Mikro für Live und sehr laute Instrumente, Großmembrankondenser für Gesang, Kleinmembrankondenser für Instrumente) kann man nicht immer trauen, obwohl man sich tendenziell daran halten sollte.

Probieren geht über Studieren

Wer also ein Mikro braucht, der sollte nicht auf eine Empfehlung hin kaufen, sondern vergleichen! Hier spielen die Musikrichtung, der Sänger und das Instrument eine Rolle. Es geht darum, wie man die möglichst besten Ergebnisse erzielt. So ein Mikrovergleich ist jedoch nicht einfach. Im Prinzip benötigt man das exakt gleiche Signal bei exakt gleichem Pegel und exakt gleichem Abstand zur Schallquelle. Dies ist aber nicht möglich. Wie man es am einfachsten macht? Zu aller erst kommt der Gang zum örtlichen Musikalienhändler. Der leiht einem, wenn man freundlich fragt, einige Kandidaten über das Wochenende aus. Wer keinen gut sortierten Händler in der Nähe hat, der sollte mal nach einem Verleih suchen, der auch Studioequipment verleiht, oder Freunden und Bekannten ihren Liebling für einen Tag aus der Hose quatschen.

Mikrofonvergleich für Gesang - Ein Versuchsaufbau

Benötigt wird:

  • 1 Playback der neusten eigenen Produktion, welches im Wesentlichen den eigenen Musikstil widerspiegelt. Am besten als Stereotrack, aber noch nicht gemastert. Der Sänger sollte dieses Stück gut kennen und sicher singen können, damit er möglichst immer gleich singt! Am besten nimmt man von dem Stück nur den Refrain oder eine andere markante und nicht zu lange Stelle.
  • für jedes Mikro einen Mikroständer, Klemme oder Spinne
  • für jedes Mikro einen Poppschutz. Wer dies nicht hat, sollte dem Sänger beim Test einen Poppschutz in die Hand drücken
  • ausreichend Mikrokabel
  • für jedes Mikro einen eigenen, identischen Vorverstärker (im Prinzip ist hier ein einfaches Mischpult mit 8 Mikroeingängen ausreichend)
  • einen Mehrspurrecorder oder Computer
  • Kopfhörer
  • 1 Billigmikro

Als erstes werden die Mikros auf für den Sänger passenden Höhe im Raum auf einer Linie aufgebaut. Dabei sollten immer zwei Mikros so dicht wie möglich nebeneinander stehen, ohne jedoch einander zu berühren. Dem Sänger wird nun das Playback auf die Ohren gegeben. Gesungen wird immer zwischen den Mikropärchen hindurch, damit man wenigstens bei zwei Mikros möglichst gleiche Bedingungen hat. Beim Einpegeln muss sehr darauf geachtet werden, dass der Pegel möglichst identisch ist. Man sollte sich dabei besonders auf seine Ohren verlassen, denn die Pegelanzeigen in Computern bzw. auf semiprofessionellem Gerät zeigen alles mögliche an, niemals jedoch den exakten Pegel. Das Billigmikro wird als echter Kandidat mit in den Test einbezogen und dient somit als Referenz, damit man überhaupt Unterschiede hört.
Der Sänger soll nun eine Phrase singen, wobei die beiden Mikrosignale getrennt aufgezeichnet werden. Bei allen weiteren Mikros wird genauso verfahren, sodass man am Ende synchron zum Playback mehrere Audiospuren hat. Diese können nun während der Wiedergaben einzeln solo gehört und verglichen werden. Wichtig ist hierbei, die Signale mitten im Gesang umzuschalten und zu beurteilen. Hat man seine Favoriten gefunden, kann man sie in einer weiteren Runde mit neuem Aufbau nochmals (diesmal auch mit Direktbesprechung) vergleichen.

Ähnlich geht man auch vor, wenn man Mikrofone an Instrumenten vergleicht. Im Übrigen ist dieser Versuchsaufbau natürlich alles andere als ideal. Er soll nur dazu dienen, dem, zumindest im Bereich der Mikrofone, unerfahrenen Homerecorder eine Entscheidungshilfe zu sein.

Die Klassiker

Damit sie mal ein Bild davon bekommen, was Live und im Studio so alles eingesetzt wird, werde ich mal einige (wenige) Klassiker aufzählen (natürlich auch wieder nur Beispiele):

Schlagzeug:

  • Bass Drum - AKG D12 / D112
  • Snare - Shure SM 57 von oben und einen Kleinmembrankondenser von unten
  • Toms - Sennheiser MD 421
  • Overheads - z.B. AKG C451

Großmembrankondenser:

AKG C 414 / C 12, Neumann U87 / U89, Brauner VM1, Microtech UM 70

Kleinmembrankondenser:

AKG C451, Schoeps "Colette", Oktava MK012

Welches Mikro zu welchem Zweck

Tendenziell gilt (wie bereits oben erwähnt) Dynamische Mikro für Live und sehr laute Instrumente, Großmembrankondenser für Gesang, Kleinmembrankondenser für Instrumente. Die eben genannten Klassiker werden oft verwendet, da sie einen spezifischen Klang haben. Wer für zu Hause nur ein einzelnes Mikro sucht, der sollte sich eher für ein neutral klingendes Teil entscheiden.

Zu zweit ist es schöner

Beim Kauf sollte man sich in jedem Fall die Option auf ein zweites, baugleiches Mikrofon offen halten. Wer erst einmal Spaß am Mikrofonieren gefunden hat, der wird sich schnell ein weiteres Mikro zur Stereofonie wünschen. Wer dies anstrebt, und nur Instrumentenaufnahmen machen will, greift lieber gleich zur Kleinmembran.

Jeder ist von sich überzeugt

Gute Mikrofone kosten (Gott sei Dank, vielleicht auch eher Dank an Koreas Industrie) nicht mehr die Welt und sind schon für um DM 1.000,- zu haben. Ich möchte jedoch nocheinmal eindringlich von "Empfehlungen" von Homerecorderkollegen und Musikalienhändlern warnen: diese Leute haben mit ziemlicher Sicherheit keine Mikrofone verglichen, sind aber trotzdem der festen Überzeugung, Mikro XY wäre das beste. Wer sich wirklich nicht sicher ist, bzw. sich nicht entscheiden kann, sollte sich an einen Profi wenden.

Vorschau

Im vierten und letzten Teil geht es wirklich zur Sache: Wie baue ich einen Mikroständer richtig auf (gar nicht so einfach), wie nehme ich einen Sänger auf, wie finde ich die beste Mikrofonposition für ein unbekanntes Instrument, und wo gehört das Mikro bei den klassischen Rockinstrumenten hin.

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Autor: Götz Müller-Dürholt Ein Service von MEMI.