MEMI Hardware-Test

 

Kawai K4 / K4r

PCM-Synthesizer

 

Kawai K4r Die Jüngsten kann man den K4-Synthesizer bzw. dessen Rackvariante K4r ja nicht mehr nennen. Sie erschienen 1989 im Zuge der "PCM-Revolution" nicht allzu lange nach der legendären Korg M1 (1988) und somit in einer Zeit, wo analoge Synthesizer mehr als altmodisch waren. Sampling-ROM war das Zauberwort, möglichst viel am besten. Was hinterher kam, war entweder gar nichts (Rompler) oder eine normale subtraktive Synthese, der ein schöner Name gegeben wurde. Im Falle des K4 ist dies die "Digital Multi-Spectrum Synthesis" (DMS). In der Praxis bedeutet dies: 256 Grundwellenformen befinden sich im ROM, wobei 96 davon sogenannte "Cycled Waves" sind (digitalisierte Wellenformen bzw. sehr kurze Ausschnitte aus Samples, d.h. Wellenformloops). Der Rest sind PCM-Samples in Form von Drums/Effekten und ein paar wenigen Multisamples und Loops. Die letzte Ecke des Speichers wurde noch mit rückwärts abgespielten Variationen und aneinander gehängten Effekt-Loops gefüllt, wie sie auch von Rolands D-Serie her bekannt sind. Neben den obligatorischen Synthesizerwellen Sinus (sehr reichhaltig mit neun Varianten), Sägezahn (8), Dreieck, Rechteck und verschiedene Pulswellen findet man alles Übliche an Natursounds, Gebimmel und Effekten, einem ausreichenden Drumset und Multisamples von Klavier (na klar!), Chor und Streichern. Für den Kreativling tun es wohl am besten all die schönen Spektren, die nichts mit ihrem Namen zu tun zu haben scheinen. Aber eine sterile E-Piano-Wellenform kann durchaus reizvoll sein, wenn man sie durch die richtige Klangformung schickt.

Die Klangformung

Ein Klang heißt bei Kawai "Single" und kann aus bis zu vier unabhängigen Teilklängen ("Sources") bestehen. Wie die Sources behandelt werden, bestimmt der Source Mode: Normal ist eher für simple Klänge gedacht, da hier nur zwei Sources verwendet und durch ein Filter geschickt werden. Twin benutzt zwei Source-Paare und genehmigt jedem Paar ein Filter, während Double alle vier Sources durch zwei seriell geschaltete Filter schickt, womit die Flankensteilheit des Filters verdoppelt und drastischere Klangmanipulationen möglich werden.

Kawai K4 Hat man im DCO-Menü die grundlegenden Einstellungen getätigt und für jede Source eine Wellenform gewählt, geht es weiter zum Synthesizerteil.

Wie schon erwähnt müssen sich jeweils zwei Sources einen Filter teilen. Dieses ist resonanzfähig (!) und klingt für ein Digitalfilter ganz passabel, auch wenn die Resonanz nur in lumpigen acht Stufen regelbar ist. Auf höchster Stufe pfeift sie jedenfalls schon recht schrill.

Das Filter besitzt natürlich auch eine Hüllkurve und ist neben den üblichen Modulationsquellen (Velocity, Channel's Aftertouch, Tastaturposition) auch von einem LFO modulierbar, was für nette Wah-Wah-Effekte sorgt.

Der Clou beim Filter ist jedoch der Double-Modus, der beide Filter in Serie schaltet. Hier lässt sich die Resonanz bis zur Selbstoszillation hochregeln. Allerdings ist das resultierende Quietschen eher für Effekte brauchbar, da es doch recht drastisch daherkommt. Immerhin ein nettes Werkzeug, das noch immer nicht selbstverständlich ist.

Jede Source besitzt einen eigenen Verstärker (DCA) mit ADSR-Hüllkurve und Modulationsrouting, das sich auf das Nötigste beschränkt. Leider ist eine LFO-Modulation nicht möglich (dabei gate ich doch so gern...).

Das Gerät besitzt zwei LFOs, wobei der eine "Vibrato" heißt, weil er fest auf die Tonhöhe geroutet ist, während der andere beim Filter eingeschaltet werden kann. Für beide lassen sich Wellenform (Dreieck, Sägezahn, Rechteck und Zufall), Geschwindigkeit, Stärke und Modulation wählen, der Filter-LFO besitzt auch einen Delayparameter... Um so seltsamer, da dieser beim Vibrato ja auch nicht schlecht aufgehoben gewesen wäre.

Eine Tonhöhenhüllkurve gibt es leider nicht. Lediglich eine "Autobend"-Funktion (was dem für Solosounds beliebten Portamento entspricht) und die Modulation durch Aftertouch sorgen hier für Bewegung.

Zusammen mit Parametern wie Source-Verzögerung, Modulationsradzuweisung (wichtig für Teschno, wenn man's auf den Filter routet) etc. ergibt sich also eine bodenständige aber wenig aufregende subtraktive Synthese. Bemerkenswert ist dann aber doch noch die Einbindung der beim K1 schon vorgeführten Amplitudenmodulation (AM). Wie Yamahas Frequenzmodulation arbeitet die AM mit einer Source als Träger und der anderen als Modulator, d.h. je nach Lautstärke, Tonhöhe und Klangfarbe des Modulators ergeben sich zusammen mit den Eigenschaften der Trägerwellenform durch Addition von Obertönen völlig neue Spektren, deren Wandlungsfähigkeit ebenso unbegrenzt wie schwer vorhersehbar erscheint. Jedenfalls eine höchst interessante Zugabe zur konservativen Klangformung, die zum Experimentieren anregt und teilweise zu überraschenden Ergebnissen führt, die man im K4 nie vermutet hätte. Sägende, glockige und metallische Klänge sind somit kaum noch ein Problem. Wäre unsere Zeit nicht so kurzlebig, es würden noch viele Klangbastler am Ausschöpfen des Klangpotentials zu schaffen haben.

In Kombination

Natürlich muss so ein Synthesizer noch mehr können als nur Einzelsounds abspielen. Zu diesem Zweck gibt es den sogenannten Multi-Modus, in dem acht Single-Sounds beliebig organisiert und als eines von 64 Multis abgespeichert werden können. Man kann jedem Single einen MIDI-Kanal und eine Tastaturzone frei zuordnen und bei der Keyboardversion auch Effekte an- und ausschalten bzw. beim K4r eine Zuweisung auf die Einzelausgänge vornehmen. Außerdem ist ein Velocity-Switch programmierbar. Der K4 ist somit ein passables 8-Zonen-Masterkeyboard, ein "Orchester" mit achtfachem Multimode oder ein brüllendes Solomonster (alle acht Singles auf einem Kanal). Hinzu kommt noch ein Drumset, dem ebenfalls ein MIDI-Kanal zugewiesen werden kann.

Noch mehr Modusse... Moden... Modes... Modi

Die gibt's hier in Form von einem Drum-Modus und einem Effekt- (Keyboard) bzw. Output-Modus (Rack).

Der Drum-Modus erlaubt die Zusammenstellung eines Drumsets, was recht flexibel ist. Man kann jeder Taste von C1 bis C6 bis zu zwei Samples aus dem gesamten (!) Fundus zuweisen und für jedes Sample die Abklingzeit (Decay), Stimmung, Lautstärke und Effektkanal- bzw. Einzelausgangszuordnung bestimmen. Auch hier kann man also wieder recht kreativ mit den vorhandenen Möglichkeiten umgehen und bekommt alle Freiheit.

Die größten Unterschiede zwischen Rack- und Keyboardversion gibt es wohl im letzten Modus: Während man für den K4 hier den Digitaleffekt bestimmen und regeln kann, muss der K4r auf Effekte verzichten und bietet dafür Programme für die Zuordnung zu den beiden Mix- oder den sechs Einzelausgängen. Dieser Modus beinhaltet 32 Programme, deren Inhalt jeweils acht frei konfigurierbare Submix-Kanäle sind. Klingt kompliziert und ist es auch: Die nicht benennbaren Programme (Effect- bzw. Output-Patches) enthalten je die Kanäle A bis H. Jedem Kanal kann nun eine Effekt- bzw. Ausgangszuordnung zugewiesen und deren Parameter geregelt werden. Weist man also z.B. dem Kanal A den Stereoausgang zu, darf man gleich auch noch die Stereoposition (Pan) von A regeln. Wird ein Einzelausgang zugewiesen, geht das natürlich nicht. Bei den Effekten verhält es sich so, dass man für jeden Kanal den Effektanteil wählen kann, bei Multieffekten die Anteile der Einzeleffekte und deren Parameter.

Das alles wäre ja gut und schön, wenn der Rest des Gerätes nicht mit diesen abstrakten Patches und Submix-Kanälen arbeiten würde. So muss man nämlich im Multi-Modus jedem Multi ein Effect- bzw. Output-Patch zuweisen (nur die Nummer, Namen haben die ja nicht) und darf dann für jeden der acht Single-Sounds einen eigenen Submix-Kanal wählen. Ich persönlich kann mich jedenfalls nicht an die Konfiguration von acht Kanälen bei einem, geschweige denn 32 Patches erinnern. Da hilft wirklich nur Aufschreiben oder das Programmieren ständig gebrauchter Standardeinstellungen.

Ansonsten ist dieses Konzept jedoch interessant: Gerade beim K4 kann man so jedem Single-Sound seinen eigenen Effektanteil zuweisen, was viele neuere Synthesizer erbleichen lässt, weil man dort nur Effekte pro Klang an- oder abschalten kann.

Apropos Effekte: Der K4 bietet 16 Algorithmen, von denen die ersten neun Einzeleffekte und der Rest Effektkombinationen sind. Hier tummeln sich vier Reverbs, Gate Reverb, Reverse Gate, zwei Delays, Chorus, Overdrive und Flanger, jeweils in drei Parametern regelbar. Das klingt nicht schlecht, wie es "klingt" weiß ich jedoch nicht, da ich den K4r besitze.

Bedienung bitte!

Eigentlich ist diese recht angenehm gelöst für einen Digitalsynthesizer ohne Knöppe: Man wählt einen der vielen Modi durch Druck auf einen dedizierten Taster (keine Mehrfachbelegung hier) und drückt dann einfach "Edit". Das Konzept ist so, dass man immer durch Druck auf den gleichen Taster durch die ihm zugeordneten Pages springt um dort jeweils einen Parameter mit der +/- - Taste oder dem Value-Regler eingibt. Sind alle Parameter durch, geht es wieder von vorne los. Angenehmerweise gibt es auch einen Previous-Taster, der in die entgegengesetzte Richtung schaltet. Für den Synthesizerteil gibt es immerhin acht "Themenbereiche", so dass man anhand der Beschriftung schnell und einfach zum gewünschten Parameter findet. "Compare" erlaubt den Rückblick auf das ursprüngliche Programm, "Write" schreibt nach mehrfacher Sicherheitsabfrage die Eigenkreation in den Speicher oder auf die optionale RAM-Karte. Ebenso funktioniert der SysEx-Dump zu einem geeigneten Aufzeichnungsgerät oder Sequenzer. Kein Bedienschritt liegt also in allzu weiter Ferne, womit ich das Ganze mal als "Gut, im Rahmen der Möglichkeiten" bezeichnen möchte.

Und wie klingt dat?

Was Sampleplayereskapaden anbelangt, klingt dat etwas angestaubt. Schon beim Erscheinen war der Speicher magerer als bei der Korg M1, heute nutzt das ganze 16-Bit nichts mehr, wenn man nicht mit 32 MB ROM daherkommt. Klavier ist also nicht. Macht aber auch nichts, denn dann wird man automatisch zu mehr Kreativität gezwungen und programmiert sich seine eigenen Sounds. Stark sind hier Flächen, ob nun PCM-mäßig mit deutlich erkennbaren Chor-Samples oder eher "analog" durch herkömmliche Wellenformen. Aber auch Solosounds und Glockiges (AM!) sind klasse. Gerade durch das Resonanzfilter erhält man hier Analogähnliches. Allerdings lässt es die typische Wärme und Macht vermissen. Zumindest für Homerecording aber absolut brauchbar und auch in Studios, die nicht trendy klingen müssen, eine Bereicherung. Wermutstropfen sind die etwas mageren Modulationsmöglichkeiten und die Tatsache, dass es sehr leicht ist, hässliche Knackser zu erzeugen, sobald man den falschen Parameter zu hoch schraubt. Besonders DCA und DCF sind hier gefährdet.

Zu guter Letzt...

... möchte ich resümieren: Ein interessanter Synthesizer, der wohl noch sehr lange mein Rack zieren wird, da ich mit einer Erschöpfung des Klangpotentials so schnell nicht rechne. Bei mir erfüllt der K4r die Funktion eines Arbeitspferds im Bereich der subtraktiven Synthese und sorgt für die etwas ruppigeren Filter-Sounds mit Modulation.

PS: Noch ein Buchtip: Neben dem etwas pragmatischen Handbuch war mir Peter Gorges' "Das K4-Handbuch" (GC Carstensen, 1989) eine gute Hilfe beim tieferen Einstieg in das Gerät. Da gibt es Tipps und Tricks, auf die man auf den ersten Blick nicht unbedingt kommt.


Weiterführende Links bei MEMI:



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Autor: Christian Baum, 23.01.2001 Ein Service von MEMI.