MEMI Software-Test

 

IK Multimedia AmpliTube

Gitarrenverstärker-Emulation

 

Hersteller/Vertrieb Art der Software erhältlich für Preis
IK Multimedia Virtuelle Gitarrenverstärker diverse (s. Text) € 439,-
       

 

Tausendundein Gitarrenverstärker

Darauf haben (nicht nur) Gitarristen lange gewartet: Bis dato gab es nämlich für die computerinterne Gitarrenamp-Simulation nur eine High-End-Option, und zwar die Amp Farm von Line 6, die nur als Plug-in für das teure ProTools System erhältlich war. Für den nativen Bereich war lange Zeit gar nichts dergleichen erhältlich - wohl auch wegen der ressourcenfressenden Algorhythmen solcher Effekte - so dass man sich immer mit externem Equipment (etwa dem POD) behelfen musste.
Dies hat sich nun gründlich geändert: AmpliTube ist das erste erstzunehmende VST-Gitarrenverstärkersimulations-Plugin für den nativen Bereich, also für Sequenzer wie Steinberg Cubase und Emagic Logic Audio. Es unterstützt zurzeit die Schnittstellen RTAS, HTDM, VST, DX und bald auch MAS und Audio Units (siehe Tabelle unten). Diejenigen, die auf OS X setzen, werden erfreut sein zu erfahren, dass noch im Mai eine Standalone-Version von AmpliTube, genannt AmpliTube Live, erhältlich sein wird, mit der man gar keinen Sequenzer mehr braucht und den Computer direkt als Gitarrenverstärker benutzen kann - inklusive Umschalten der Kanäle per Midi-Fußschalter.

Unterstützte Schnittstellen

Heavy Metal im PowerBook

Was also genau ist AmpliTube? Wer schon einmal einen der neuen "Modelling-Gitarrenamps" ausprobiert hat, weiß ungefähr, was er sich unter AmpliTube vorzustellen hat: Diese Combos bzw. Topteile (z.B. der Fender Cybertwin, Hughes&Kettner ZenTera oder die Valvetronix-Modelle von Vox) liefern mittels DSP-Chip-Technologie den Sound nicht nur von einem, sondern von vielen verschiedenen Gitarrenverstärkern. Dabei liegt die Betonung auf klassischen Modellen wie z.B. dem Vox AC-30 oder Fender Twin. So ist es möglich, mit einem einzigen Gerät nahtlos von butterweichem Tremolo zu einem authentischen "alle Regler auf 10"-Marshall-Sound und wieder zurück zu wechseln, auf Wunsch mit entsprechender Speaker-Simulation.
Und genau diese Funktionalität bietet auch AmpliTube, mit dem Vorteil, dass man hier jederzeit auch nachträglich den Sound ändern kann, da ja nur das "trockene" Signal aufgenommen wird. Nimmt man dagegen mit den oben erwähnten Modelling-Combos auf, landet immer der entsprechend eingestellte Verstärkersound auf der Festplatte.

Nach dem Download der Demo-Version, Installation und Freischaltung mittels eines Challenge/Response-Codes steht einem AmpliTube als VST-Plugin uneingeschränkt zur Verfügung. Die Demo-Version gibt alle paar Sekunden kurz etwas "White Noise" von sich, eignet sich aber hervorragend, um sich ein genaues Bild von dem zu machen, was AmpliTube leistet.

User der Logic Audio Platinum-Version 5.5 sollten wissen, dass AmpliTube mit dieser inkompatibel ist; hier muss man entweder zu den Versionen 5 bis 5.3 bzw. 6 oder höher greifen. Ich testete die Software auf einem Apple Titanium PowerBook und kann die uneingeschränkte Kompatibilität unter Mac OS 9.2.2 bestätigen.

Alle Regler auf 11!

Sobald man das Plug-In öffnet, scheint einem eine ansprechende, sehr realistisch gestaltete Gitarrenverstärkerbedienoberfläche entgegen (s. Abbildung). Hier findet man alle Potis, die man von konventionellen Gitarrenverstärkern kennt; von Equalizern über Gain, Volume und Master Volume bis hin zu den Wahlschaltern für Verstärkermodell, Lautsprecherart (geschlossene und offene Modelle) und Einstellmöglichkeiten fürs Gate (für die, die's nicht wissen: Gates filtern Signale unterhalb eines bestimmten Thresholds heraus - sehr nützlich für brummende, weil schlecht abgeschirmte Gitarren-Pickups besonders bei stark verzerrten Soundeinstellungen.) Auch die Regler für den Tremolo- und Federhall-Effekt finden sich hier, wobei mir ersterer besonders gut gefallen hat.
Die Bedienung dieses "Abschnitts" von AmpliTube ist durchweg als einfach und intuitiv zu bezeichnen; für bestimmte Verstärkermodelle irrelevante (da z.B. am Original nicht existente) Equalizer-Regler werden dunkler und daher "nicht einstellbar" dargestellt - das macht Sinn; überhaupt ist die Benutzeroberfläche schön logisch und übersichtlich gestaltet. In diesem Fenster kann man auch einstellen, ob die Speaker mit einem Condenser- oder einem dynamischen Mikrofon abgenommen werden sollen.

Amp Panel

Modelle

Es gibt neben dem Haupt- bzw. Verstärker-Panel noch zwei weitere: klickt man auf "Stomp" rechts unten im Plug-in-Fenster, erscheint eines für Bodeneffekte, "FX" öffnet die Bedienoberfläche für digitale Effekte.
Erstere Abteilung umfasst fotorealistisch anmutende WahWah-, Overdrive-, Delay-, Chorus- und Flanger-Tretminen, die alle sehr gut klingen und ohne Einschränkungen die betagten Hardware-Kollegen aus dem Hause BOSS o.ä. abzulösen in der Lage sind. Die digitalen Effekte hinken dem nicht im Mindesten hinterher; neben dem sehr effizienten parametrischen Dreiband-Equalizer mit weitreichenden Einstellmöglichkeiten finden sich hier noch ein digitales Delay und ein ebenfalls digitaler Hall, beide Stereo. Mit diesem und dem (in konventionellen Gitarrenverstärkern verbaute) Federhall hat AmpliTube also gleich zwei Reverb-Arten an Bord - vom Feinsten!

More Panels

Beim ersten Anspielen dieses mit umfassenden Features ausgestatteten Plugins fällt sofort die absolut realistische (klangmässige) Abbildung der teils legendären, klassischen Gitarrenampmodelle auf. Dabei kann man sich erst einmal an den vielen Presets orientieren, die einem einen guten Überblick verschaffen, des weiteren gibt es dort auch eine VIP-Preset-Sammlung, in der man Imitationen der Sounds von bekannten Gitarristen findet, u.a. Santana, The Edge, Vai, und - besonders gelungen - der "The Wall"-Solo-Sound von David Gilmour.
Man kann sich natürlich auch seine eigenen Presets bauen und abspeichern und auch - witzige Idee - welche von der IKMultimedia-Site aus dem Netz laden. Hier finden sich bereits ein paar interessante und gelungene Files (die man sich einfach in den AmpliTube Settings-Ordner kopiert) - z.B. welche, die den typischen Sounds von Eric Johnson oder Keith Richards ähneln. Ein großes Lob wert ist auch der Support von IKMutimedia: Alle Anfragen, z.B. bezüglich der Inkompatibilität mit Logic 5.5 (welche im Übrigen das einzige "Problem" war, das ich mit AmpliTube hatte), wurden schnell und kompetent beantwortet.
Unterm Strich lässt sich sagen, dass man ohne große Einarbeit sehr intuitiv mit AmpliTube loslegen kann und ziemlich schnell zu überzeugenden Ergebnissen kommt. Interessant dürfte dieses Plugin auch für den Live-Einsatz sein (um den Gitarrenverstärker zu ersetzen). Es kommt erstaunlich nah, wenn auch nicht ganz, an "echte" Röhrenamps heran. Auf alle Fälle ist AmpliTube zum Aufnehmen von Gitarren die mit Abstand praktischste Lösung. Allerdings sollte man beachten, dass zum Live-Einspielen von Gitarren eine Audiokarte mit geringer Latenz unbedingt erforderlich ist, damit man das Signal auch dann hört, wenn man es spielt und nicht erst eine Sekunde später. PowerBook-Besitzer können sich im Übrigen glücklich schätzen: Schon der interne Soundchip liefert annähernd null Latenz.
Ein Tipp: Es lassen sich natürlich auch beliebige andere Sounds hindurchschicken - etwa Drumloops oder Gesang - und auf diese Weise unendlich verfremden. Ziemlich interessante Resulate sind garantiert. Hier ist Experimentierfreude gefragt.

Es macht großen Spaß, mit diesem Plugin zu arbeiten, es läuft hervorragend stabil und verbraucht auf modernen Rechnern in vernünftigem Maß Systemressourcen (so der Eindruck auf meinem PowerBook 867 Mhz mit Logic 6). Obwohl man sicherlich nicht auf seine "echten" Verstärker verzichten möchte, stellt AmpliTube doch eine einfach zu bedienende, unkomplizierte und gut klingende Ergänzung zu jedem Gitarren-Recordingsystem dar. Also lautet meine Empfehlung - und zwar nicht nur für Gitarristen - : unbedingt das Demo ausprobieren! Denn es gibt auf dem Plug-in-Markt kein vergleichbar vielseitiges und gut klingendes Produkt.

Pro

  • Sound
  • übersichtliche, schicke Benutzeroberfläche
  • Stabilität
  • Effektsektion
  • einfache Bedienung

Kontra

  • noch nicht im AU (Audio Units)-Format (als Plug-in) erhältlich (angekündigt)

Kritikpunkte gibt es weiter keine nennenswerten; allerdings gibt es für dieses Produkt auch (noch) keine ernsthafte Konkurrenz.


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Autor: Roland Reinke, 20.05.2003 Ein Service von MEMI.