MEMI Software-Test

 

FM7 Sounds Vol. 1

256 neue Patches für Native Instruments FM7

 

Hersteller/Vertrieb Art der Software erhältlich für Preis
Native Instruments 2 Bänke mit FM7-Patches Win/Mac € 49,90
       

 

Braucht das einer?

Preset-Sammlungen für Synthesizer genießen einen zwiespältigen Ruf. Einerseits sind Synthesizer zum Synthetisieren da und nicht zum Presets-Abfeuern. Andererseits stellen diverse Klangsyntheseverfahren eine Wissenschaft für sich dar, die nicht jeder Tastendrücker ergründen will oder kann. So kommt es nicht selten vor, dass der Lieblingsknopf an einem Synthesizer derjenige mit der Aufschrift "Random Sound" ist. Schließlich gibt es wichtigeres im (Krachmacher-)Leben als – ansonsten hervorragende - Tutorials von Peter Gorges durchzumachen.
Hinzu kommt, dass während die subtraktive Synthese relativ einfach zu durchschauen und zu begreifen ist, die FM-Synthese nach wie vor den Ruf eines Geheimwissens genießt. Wer schon mal einen DX7 zu programmieren versuchte, weiß, was gemeint ist: Die labyrinthähnliche Art, auf die sich verschiedene Parameter gegenseitig beeinflussen, lässt sich nur schwer durchschauen, und das Klangergebnis bleibt allzu oft dem Zufall überlassen. Auch der Ende 2001 eingeführte Software-FM-Synthesizer FM7 von Native Instruments hat an dem Stand der Dinge nur wenig verändert. Zwar erschließen sich nun die grundlegenden Operationen dank hervorragender Benutzeroberfläche leichter dem Klangforscher, dafür aber sorgt die Vielfalt an zusätzlichen Features zuverlässig dafür, dass nicht nur ein FM-Neuling allzu oft etwas ratlos dasteht. Gerade das FM-Sounddesign bleibt als Fulltime-Job den Eingeweihten, Klangvisionären, Tüftler-Genies und Meschuggenen vorbehalten. Vor diesem Hintergrund erscheint nun die CD-ROM "FM7 Sounds Vol. 1" von Native Instruments mit 256 Klängen für FM7 – und landet einen Volltreffer.

Installation

Die CD kommt, wie bei NI üblich, geschmackvoll verpackt ins Haus: eine Art universelle, aufwändige Umverpackung umhüllt die eigentliche Digipak mit der Sounds-CD. Die zweite CD im Package beinhaltet aktuelle Demos anderer Nativen Instrumente. Die Klangdateien liegen auf der CD im Ordner "FM7 Sounds Vol 1" und sind frei zugänglich. Es reicht also, im Finder den Ordner an die entsprechende Stelle zu verschieben, um dem FM7 die Sounds zur Verfügung zu stellen.
Wer es lieber modern mag, der startet den Installer von der CD und tippt die beiliegende Seriennummer ein. Was auf den ersten Blick etwas absurd erscheint, entpuppt sich kurz darauf als schlauer Schachzug: so schlägt der Installer vor, nachdem er die Sounds installiert hat, auch gleich FM7 auf Version 1.1 zu aktualisieren – was man ihn tunlichst machen lassen soll, falls noch nicht geschehen. Daraufhin wird FM7 samt VST-Plug-ins auf den neuesten Stand gebracht und der Installer zusätzlich auf die Festplatte kopiert.

Und es ward Sound

Nach dem Start von FM7 können die Sounds endlich geladen werden. Wie bei FM7 üblich, stehen die Klänge entweder als 32er Bänke oder aber als zwei komplette "Loader" à 128 Programme zur Verfügung. Der erste Satz beinhaltet je zwei Bänke voller Pads und Loops; der andere kommt mit 2 Drums- und zwei Synths-Bänken daher.
Ein erster Eindruck lässt sich kurz zusammenfassen: Was, das geht mit FM? Wer in den letzten Monaten zahllose DX-Sounds aus dem Netz zusammengetragen und ausprobiert hat, staunt nicht schlecht: Mittels FM-Synthese lässt sich wesentlich mehr zaubern als die typischen 1980er Jumps und Pads. Nun war dies schon mit werkseitigen Presets von FM7 klar; doch was die Klanggestalter Peter "The Blue Book" Krischker, Eric Young, Steffen Müller und Thomas Krarup aus der Software-Kiste gezaubert haben, übertrifft alle Erwartungen. Je nach Programm klingt das PowerBook mit FM7 plötzlich böse wie ein Virus, barock-rau wie ein Absynth, brachial wie eine alte Schlagzeugmaschine oder aber abgespaced weich. Allen Klängen ist ein Feature gemeinsam: Sie lassen sich durch Velocity und/oder Modwheel teilweise drastisch verändern, was die Klangsammlung noch einmal aufwertet.

Kuschelweiches Sandpapier

Was kann schon an Pads revolutionär sein? In der Tat bilden die Pads die konservatisten Bänke der Sammlung – was aber keineswegs "langweilig" bedeuten soll. Statt noch einer weiteren Ladung von Strings und Spheres finden sich darunter wahre Perlen, modulierte, dynamische Flächen, Sounds mit massiver Verwendung von Oszillator-Delay (44, Taschenbillard), filmreife Klangteppiche (18, Propellerheads), beunruhigende Sweeps & Spikes (alle 4 "The Chrysalis"-Programme). Übrigens: An Selbstironie mangelt es den Programmierern auch nicht (08/15)

Where time becomes a loop

Die interessantesten Programme von FM7 Sounds Vol 1 sind zweifelsohne die Loops. Obwohl FM7, ähnlich wie Absynth, keinen Arpeggiator hat, lassen sich mit Hilfe von Pitch-Kurven komplexe rhythmische Verläufe und Schleifen realisieren, die nicht nur einen Arpeggiator, sondern auch so manchen Hardware-Stepsequenzer alt aussehen lassen. Das Spektrum reicht von Dance-ähnlichen Abläufen (Triologic, Bamboo Sequencer) über TR-Reminiszenzen (Cyanide Percussion), deepe Subbass-Paraden (Bottom Sequence), Clubsounds (As Sleep Brings Dreams, Acid Stew) und House bis hin zu Autechre-verdächtigen clicks&cuts (Water Is Life, Ame No Hayashi De). Das bereits in Absynth erfolgreiche Konzept zeigt hier ein etwas anderes, etwas kühleres Gesicht, ohne auf die Lebendigkeit und Komplexität des blauen Genossen zu verzichten. Die meisten Loops sind temposynchronisiert und haben einen freien Startpunkt, was mit etwas Spielgeschick äußerst komplexe rhythmische Strukturen erzeugen lässt – klasse.

Hit the road, Jack

Fein säuberlich einsortierte Drum-Instrumente lassen ebenfalls kaum Wünsche offen. Alle modern-nostalgischen Klänge im Stil von x0x sind vorhanden und lassen sich – einen leistungsfähigen Rechner vorausgesetzt – zu amtlichen Drumsets zusammebauen. Jedes Drum-Instrument belegt ein einzelnes Programm und lässt sich getunt spielen – andererseits müssen für ein Set genügend Instanzen von FM7 im Sequenzer laufen. Ein paar Drumset- Programme wären eine sinnvolle Ergänzung, leider lässt sich so etwas in FM7 prinzipbedingt nicht realisieren. So kann unter Umständen der Weg über einen Sampler angesagt sein, um die druckvollen Drums der NI-Sammlung ordentlich zur Geltung zu bringen. Aber auch als Instanzen brint FM7 selbst unser zweijähriges Pismo-PowerBook mit LogicAudio 5 nicht aus der Containance – einmal wieder ein Beweis dafür, wie genügsam die Nativen Instrumente sind.

Angereichertes Plutonium

"Gääähn... noch ein Minimoog-Fake?" – weit gefehlt, denn auch in der Synths-Bank zeigen sich die NI-Programmierer von ihrer besten Seite. Auch wenn es an Polymoog- und Juno- Sounds nicht fehlt, so treten diese keineswegs dominant hervor. Angereicherte Analogsounds drücken amtlich das Fenster aus dem Rahmen, Filterkurven schnellen ordentlich rauf und runter, Sequenzer-Bass-Sounds laden dazu, nochmal die Jugend an ihnen zu verschwenden – da gibt es einfach nichts zum Meckern. Zum Glück lässt sich der Delay-Effekt zurückdrehen – wen er nicht stört, der erfreut sich an fertigen Rhythmusmodulationen. An sich stellen die Synth-Sounds vermutlich nichts Neues dar, doch alleine der Umstand, dass ein FM-Synthesizer so manchen "Virtuell-analogen" in die Ecke verweist, stimmt optimistisch.

Fazit

Mit der Sammlung "FM7 Sounds Vol 1" dürfte der Mythos, FM sei bestenfalls für Anne-Clark- Sounds der 1980er geeignet, endgültig gefallen sein. Die Programmierer zeigen, wieviel kreatives Potenzial in der FM-Synthese steckt, und lernen allen anderen Klangschraubern gehörig das Fürchten.
Native Instruments wertet ihren Software-Synth mit dem Soundpaket noch einmal auf. Vor allem die Loop-Sounds geben einem das Gefühl, für wenig Geld einen brandneuen Synthesizer bekommen zu haben. Auch für diejenigen, die nur äußerst ungern Presets verwenden, ist die CD sinnvoll – als Lernmaterial und Inspirationsquelle.


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Autor: Alexander "aljen" Jensko, 24.08.2002 Ein Service von MEMI.