MEMI Software-Test

 

Coda Finale 2000

Notensatzprogramm

 

Hersteller/Vertrieb Art der Software erhältlich für Preis
Klemm Notensatz Windows 32-Bit/MacOS DM 1198,- / € 612,53
  Schulversion (SV) erhältlich DM 698,- / € 356,88 (SV)

 

Allen DJs, Software-Synthesizern und Music Makern zum Trotz hat die traditionelle Notenschrift noch jede Menge Anhänger. Während die großen Sequenzerprogramme schon mit sehr guten Notensatzfunktionen aufwarten, liegt bei ihnen das Gewicht dennoch auf professioneller Studioarbeit, bei der "echte Noten" eher selten gebraucht werden. Deshalb fehlen ihnen aber auch einige Features, die der Notensatzprofi dringend benötigt, um komplexe Musikliteratur zu Papier zu bringen. Da die Computerisierung auch vor diesen Leuten nicht Halt gemacht hat, satteln auch sie gerne auf Maus- oder MIDI-Eingabe um, anstatt alles mit dem Bleistift aufs Papier zu kritzeln. Lehrer, Orchesterleiter und Komponisten umgehen also lieber den unnützen MIDI- und Audiotand von Cubase und Co. und greifen zu dedizierten Notensatzprogrammen - wie dem hier getesteten Finale 2000 von Coda Music Technology. Da die Funktionsvielfalt geradezu erdrückend ist, beschränke ich mich hier auf Keyboard-orientierte Angaben und Auffälligkeiten bei Konzept und Bedienung.

Lieferumfang

Finale 2000 kommt auf einer blauen CD-ROM, zusammen mit einem voluminösen Tutorial und einer Kurzreferenzkarte mit den Symbolleisten, Menüeinträgen und Tastenkombinationen. Sehr übersichtlich werden hier die meisten Funktionen gelistet, es gibt eine Umrechentabelle für Maßeinheiten, eine Liste mit den Codes für die Zeichensätze und eine Beispielpartitur, in der alle Elemente der Notenschrift erklärt sind. Wer sich in die grundsätzliche Bedienung des Programms eingearbeitet hat, braucht nur noch diese Karte - sehr gut! Und vom "Visual Index" kann man sogar noch was lernen - was es da so alles an Symbolen gibt... ;-)

Installation und erster Eindruck

Finale OberflächeErste Hürde für Vollblutmusiker kann die Installation eines neuen Programmes sein, denn ein Großteil dieser Klientel ist lieber Musiker als Computerfreak. Entsprechend einfach sollte die Installation also vonstatten gehen und tut es hier auch: Tutorial vorne aufschlagen, den Bedienschritten folgen, und schon läuft die Installationsroutine ab und richtet Finale auf dem PC ein. Über einen neuen Eintrag im Startmenü gelangt man dann auch sogleich zur Programmoberfläche, die sich übersichtlich und aufgeräumt präsentiert. Zum schnellen Loslegen hat man oben das übliche Menü, darunter folgt eine Symbolleise mit den so genannten Hauptwerkzeugen. Linker Hand schließlich liegt die Palette für "einfache Eingabe" - eine Reihe von ständig benötigten Notensymbolen, Radiergummi und Transpositionswerkzeugen. Hier kann man sofort einen Notenwert mit der Maus anwählen und in der Bildschirmmitte auf den Notenlinien "schreiben". Dabei wird auch gleich automatisch kontrolliert, ob der durch das Taktmaß festgelegte Wert nicht überschritten wird (was man aber auch abschalten kann).
Ansonsten kann man schon einmal sagen, dass die Benutzeroberfläche klar strukturiert wirkt. Durch die Tooltips und die Referenzkarte erfährt man schon einmal genug für weiter gehende Experimente, ohne gleich tief ins Tutorial blicken zu müssen. Gehen wir nun aber in medias res...

Oberflächliches

Finale DokumentenassistentStartet man Finale, kommt man zuerst einmal zu einem Vorlagendialog, mit dem man Aussehen und Inhalt der Partitur festlegen kann. Hier stehen verschiedene Instrumentengruppen bereit, und jede Gruppe bietet die üblichen Vetreter ihrer Zunft zur Auswahl an (siehe Screenshot). Hier legt man nun beliebig viele Notensysteme verschiedener Art an, zur Not also auch eine komplette Orchesterpartitur. Titel und Komponist können ebenfalls fest gelegt werden, und dann kann es los gehen. Natürlich lässt sich dieser Assistent auch abschalten, sodass alles "von Hand" gestaltet werden kann.

Hat man dann die leeren Notensysteme vor sich, kann man auch sogleich über diverse Eingabeverfahren beginnen, Noten aufzuschreiben. Sämtliche Bedienschritte laufen über eine Kombination von Werkzeug-, Symbol- und Menüleiste, die Tastatur kann alternativ oder unterstützend eingesetzt werden, ganz nach Geschmack. Es gibt eine Standardmenüleiste, die immer gleich aussieht und den üblichen Windowsmenüs entspricht (Datei, Bearbeiten, Ansicht etc.). Darunter befinden sich zwei Symbolleisten. Die obere bietet ein paar wenige Standardbefehle aus den Menüs als Symbole (Neu, Öffnen etc.), die untere stellt die so genannte Werkzeugleiste dar. Sämtliche Eingabe- und Editierfunktionen können hier eingeläutet werden. "Eingeläutet" deshalb, weil man durch einen Klick auf ein Symbol das Werkzeug nur aktiviert und damit in den Systemen die grundlegenden Funktionen ausführen kann. Da jedes Werkzeug aber über sehr komplexe Möglichkeiten verfügt, die nur über Maus und Tastatur kaum bedienbar wären, wird für jedes Werkzeug die Menüleiste individuell erweitert, d.h. ein zusätzlicher Eintrag ergänzt das Standardmenü um Werkzeug-spezifische Befehle. Dies macht die Menüs natürlich weitaus übersichtlicher, erschließt sich aber nicht auf den ersten Blick. Das beiliegende Tutorial ist also schon vonnöten, bevor man richtig einsteigen kann. Über diese Zusatzbefehle hat man jedoch schnell die beeindruckende (und teilweise erdrückende) Vielfalt an Möglichkeiten vor Augen. Gleichzeitig hat dieses Konzept jedoch auch Nachteile: Finale merkt sich zwar für jedes Werkzeug die zuvor im Menü gemachten Grundeinstellungen, dennoch wird vom Benutzer einiges an Vordenk-Arbeit verlangt. Man kann Finale kaum wie einen Sequenzer "mal eben öffnen und ein Stückchen einspielen". Immer werden mehrere Bedienschritte verlangt, bevor man richtig loslegen kann. Zwar lässt sich alles nachträglich auch editieren, dennoch ist es für die tägliche Arbeit sinnvoller, sich detaillierte Gedanken über die geplante Arbeit zu machen. Daraufhin tätigt man alle nötigen Voreinstellungen über Symbol- und Menüleisten, und dann fängt man an zu schreiben.

Ansonsten bietet die Oberfläche dankenswerterweise auch diverse Anpassungsmöglichkeiten. Das Optionenmenü ist eine Wisseschaft für sich, sämtliche Einstellungen zum Programm, zur Oberfläche und zum Layout können hier getätigt werden. Auch die Symbolleisten lassen sich an den eigenen Geschmack anpassen. Volle Punktzahl also für die Flexibilität, Abstriche muss man konzeptbedingt beim Handling machen - so viele Funktionen fordern ihren Tribut.

Eingabeverfahren

Wie bekomme ich nun die Noten aufs "Papier"? Finale ist hier sehr flexibel und bietet gleich vier Möglichkeiten, Noten einzugeben:

  • Einfache Eingabe:

    Dies ist das altbekannte (und meist weniger beliebte) Eingeben der Noten per Maus. Man benutzt dazu die "Palette für einfache Eingabe", eine Liste der verschiedensten Notensymbole und -werte. Sollte diese gerade nicht aktiv sein, kann man sie per Menü sichtbar machen. Der gewünschte Notenwert wird per Klick auf das Symbol eingestellt, danach kann man die Noten direkt per Mausklick in die Notenlinien schreiben. Das ist leider eine eher unbeholfene Sache, falls man gerade keine anderen Eingabemöglichkeiten hat. Mehr als "Alle meine Entlein" oder eine kleine Korrektur zwischendurch würde ich damit nicht machen wollen. Editierungen sind aber ebenfalls etwas fitzelig: Klicks mit dem Radierer über oder unter einem Notenkopf löscht die Note, ein Klick auf den Notenkopf verwandelt ihn in eine entsprechende Pause.

  • Schnelle Eingabe:

    Das ist schon eher nach meinem Geschmack, da sehr flexibel. Von der leidigen Mauseingabe mal abgesehen, sind hiermit nämlich Mischungen aus Tastatur- und MIDI-Eingabe möglich. Es handelt sich aber dennoch um eine Step-Eingabe. Finale wartet dabei auf die Bestimmung des gewünschten Notenwertes per Tastatur (entsprechende Shortcuts liegen bereit). Danach kann man die Noten entweder mit einem weiteren Shortcut eingeben, oder man spielt die Note auf einem angeschlossenen MIDI-Keyboard. Die Länge ist dabei wie gesagt unerheblich - sie wird durch den ersten Shortcut bestimmt.
    Durch zusätzliche Tastaturfunktionen wird diese Eingabeart noch flexibler: Hält man die STRG-Taste, "weiß" Finale, dass jetzt eine X-tole ansteht. X wird dabei durch das Drücken einer Zifferntaste zwischen 2 und 8 bestimmt (Duolen bis Oktolen). Wem das nicht reicht (ich komme ja selten über Triolen hinaus), der kann mit der "1" ein Fenster öffnen, in dem sich noch komplexere X-tolen bestimmen lassen. Auch schön: Drückt man die Feststelltaste, kann man den zuletzt gewählten Notenwert fixieren und per Keyboard beliebig viele Noten mit diesem Wert hintereinander eingeben.
    Wer ganz schnell weniger komplexes Material Schritt für Schritt eingeben, sich aber nicht auf die Sequenzer-Funktionen der reinen MIDI-Eingabe verlassen will, kann hier sehr flott zum Ziel kommen. Hat man die Shortcuts einmal verinnerlicht - und wer viel damit arbeitet, lernt es sehr schnell - lassen sich in diesem Modus Noten wie mit der Schreibmaschine tippen. Aber auch vor sehr komplexen Partituren sollte man nicht Halt machen - Sonderzeichen, Artikulation und Bögen kann man später jederzeit per Maus hinzufügen. Ein paar Zusatzfunktionen sind aber auch per Shortcut sofort einzugeben, ein Blick auf die Referenzkarte genügt. Wer mit der PC-Tastatur kein Problem hat, kommt hier sehr schnell ans Ziel, und zumindest das Grundgerüst einer Partitur lässt sich damit immer erstellen.

  • MIDI-Eingabe:

    Das offenbart die Sequenzerfunktionen des Programms, denn hier kann ich in Echtzeit eingespielt werden. Dazu weiter unten mehr. Hier nur so viel: Es funktioniert und zwar am besten mit unkomplizierterem Material. Wer einigermaßen timinggenau spielen kann, findet hier sicher die schnellste Art des Notenschreibens, muss sich danach aber auf jeden Fall an detaillierte Editierungen machen, denn so genau werden Dynamik und Spielweise natürlich nicht aufgenommen und umgesetzt.

  • MIDI-File Import:

    Das hat natürlich wenig mit "Eingabe" zu tun, dennoch ist es eine Methode, Noten in die Partitur zu bekommen. Für die weniger Bewanderten: Standard MIDI Files (SMF) basieren auf einem standardisierten Format für MIDI-Dateien. Jeder Sequenzer kann dieses Format lesen und schreiben, sodass ein Austausch von MIDI-Musik über Plattform- und Anwendungsgenzen hiweg möglich wird. Spezielle Einstellungen oder Funktionen eines MIDI-Programms werden hier zwar ignoriert, aber zumindest kann man die richtigen Programmwechselbefehle, alle Noten- und Controller-Events, sowie spurspezifische Daten mitnehmen. SMF Format 0 fasst dabei alle Daten auf nur einer Spur zusammen, während Format 1 den Spurplan aufrecht erhält. Zusatzformate können auch Text transportieren, z.B. für Songs.
    Bei Finale importiert man ein SMF ganz einfach über den Öffnen-Dialog. Vor dem Import kann man dann auch noch wählen, wie die vorhandenen Spuren und MIDI-Kanäle in Stimmen umgesetzt werden, welche MIDI-Daten sonst noch übernommen werden sollen, wie Tonarten erkannt und umgesetzt werden und wie quantisiert werden soll. Auch hier zeigt sich Finale wieder auf alle Eventualitäten vorbereitet, bietet jedoch so viele Auswahlmöglichkeiten, dass man immer erst einmal überlegen oder gar experimentieren muss, um ein ansehnliches Ergebnis zu erhalten. Immerhin schafft man dies dann irgendwann auf jeden Fall, während einen weniger komplexe Programme nach dem Import vor vollendete Tatsachen stellen. Hat man bei Finale den Dreh einmal raus, muss man weit weniger nachbearbeiten.

Sequenzerfunktionen

Wozu sollte man das denn nun brauchen beim Notensatz? Sequenzer mögen bei der Finale-Klientel verpönt sein, aber gerade diese Zielgruppe braucht dann auch einfache und einsichtige Bedienung, wenn sie doch mal zum Keyboard greift, um Noten grob einzuspielen und für die Bearbeitung vorzubereiten. Genau das ist auch recht einfach gelöst: Man schaltet die Wiedergabekontrolle ein (diese entspricht den Kontrollelementen eines Kassettenrekorders), markiert den Takt und geht auf Aufnahme. Über einen Schalter lässt sich das Kontrollfenster auch erweitern, sodass man recht detailliert Vorzähler und andere Parameter einstellen kann. Verwirrenderweise befindet sich aber gerade der Quantisierungsdialog woanders, nämlich im HyperScribe-Menü, das just erscheint, wenn man die MIDI-Eingabe beginnen will. Wer vom Sequenzer her kommt, stutzt zunächst. Ebenfalls etwas unübersichtlich finde ich die Tatsache, dass man die aktuelle Aufnahmeposition nicht anhand des üblichen vertikalen Balkens kontrollieren oder verschieben kann, sondern auf eine kleine Taktzahlanzeige starren muss. Beim Abspielen exisitiert dieses Tool jedoch sehr wohl.
Nichtsdestotrotz habe ich mal ein paar Takte eingespielt und wunderte mich dann doch, dass nach meiner Quantisierungsaktion das Ganze immer noch eher wackelig klang. Die Hilfe informierte mich dann jedoch, dass Finale mit der Quantisierung keine timingschwachen Aufnahmen geraderückt, sondern sich auf das Notenbild auswirkt. Aha. Naja, wenigstens kann man in einem anderen, versteckteren Menü die Wiedergabe dem Notenbild folgen lassen anstatt der ursprünglichen Einspielung. Das Pferd wird also von hinten aufgezäumt, was man einem Notenprogramm aber nicht verdenken kann. Trotzdem hätte man zumindest alternativ auch einen weniger individuellen Weg verfolgen können.

MIDI-Bearbeitung in FinaleHat man dann mal etwas eingespielt, offenbart sich die eigentlich größte Schwäche von Finale: MIDI-Nachbearbeitung. Jaja, ist nicht sein Job, aber bitte: MIDI-Einspielung verlangt gewöhnlich nach ebensolcher Nachbearbeitung, mitsamt aller abstrakten Darstellungsweisen wie wir sie aus einem Sequenzer kennen. Die Tatsache, dass es überhaupt einen MIDI-Part in Finale gibt, zeigt ja schon, dass man sich auch bei Coda einig ist, so etwas einbauen zu müssen. Aber bitte nicht so: Man klickt auf das MIDI-Werkzeug, ein zusätzliches Menü erscheint, und jetzt kann man eine Note doppelklicken, auf die sich die folgenden Schritte beziehen sollen. Wie durch ein Wunder wird der Bildschirm geteilt. In der unteren Hälfte bleiben die Noten sichtbar, oben befindet sich nun eine Balkengrafik. Jede Note wird durch einen Balken symbolisiert. Aber was stellt er dar? Das steht nirgends - außer im Menü, das man erst aufrufen muss, um zwischen Anschlagsstärke, Notendauer und Controllern zu wählen. Dennoch bleibt es immer bei der Balkengrafik. Man kann die Balken zwar per Maus anwählen, bzw. unten auf die gewünschte Note klicken, um den entsprechenden Balken zu selektieren, aber das war's dann auch. Kein Kontextmenü, keine Änderung der Balkenhöhe per Maus. Stattdessen konsultiert man schon wieder das Menü und wählt z.B. Einstellen, Skalieren, Addieren etc. Dort gibt man dann die gewünschten Werte in einer Dialogbox ein. Das Ganze ist extrem unübersichtlich zu bedienen, verlangt bei weitem zu viele Schritte und ist sogar noch abstrakter als eine Event-Liste, eine Pianorolle oder eine zeichenbare Balkengrafik. Hier hätte man es dem User deutlich einfacher machen sollen. Wer mit MIDI nicht viel am Hut hat, ist schnell gefrustet, wer auch schon mal mit einem Sequenzer ketzert, verfällt schnell dem Wahnsinn.

Finales MIDI-Funktionen sind umfassend. Zumindest gibt es alles, was ein Notensetzer jemals brauchen wird und will. Die Umsetzung ist jedoch überaus unbequem zu bedienen, v.a. für Leute, die schon einen Background in Sachen MIDI haben. Hier müsste unbedingt noch nachgebessert werden. Was Sequenzer heute an Notensatz beherrschen (und das ist nicht wenig), sollte umgekehrt Richtmaß für Finales MIDI-Funktionen sein. Hier muss ich also leider einen dicken Minuspunkt verpassen.

Feinarbeit - Editieren in Finale

Hat man einmal ein paar Noten zu Papier gebracht, bietet sich natürlich eine Nachbearbeitung an, da es bei keiner der Eingabearten viel Sinn macht, gleich irgendwelche Details wie Artikulationszeichen, Bindebögen oder auch Wiederholungen etc. einzusetzen. Dies geschieht schön gemütlich nach der Eingabe mithilfe der diversen Werkzeuge. Man wählt immer zuerst das Werkzeug, da es keine globale Möglichkeit der Selektierung bestimmter Noten gibt. Man arbeitet also nicht wie z.B. in einer Textverarbeitung Markieren -> Aktion auf das Markierte anwenden, sondern plant zunächst die Art der Editierung, wählt das passende Werkzeug anhand der Werkzeugleiste aus und geht dann in medias res. Diese Vorgehensweise unterstreicht abermals die Tatsache, dass man bei Finale nicht einfach blind vorwärts stürmen, sondern sich immer Gedanken über seine Arbeit machen sollte.

Über die verschiedenen Paletten und Werkzeuge lassen sich nun beliebige Zeichen einsetzen oder verändern, ganze Takte verschieben, Kopieren, Einsetzen, Suchen & Ersetzen etc.. Neben dem üblichen Standardkram gibt es hier auch so genannte Intelligente Zeichen, die sich den jeweiligen Gegebenheiten anpassen. Dazu gehören z.B. Bindebögen. Hier fällt auf, dass die grafischen Haltepunkte, an denen man mit der Maus anpacken und die Symbole ziehen oder verändern kann, etwas klein geraten sind. Man muss schon manchmal genau zielen... Um es kurz zu machen: Finale bietet hier einmal mehr alles, was man wohl jemals gebrauchen kann. Ein Manko ist jedoch der etwas stockende Zugriff auf diese Möglichkeiten. Manchmal hätte ich mir auch einfach gewünscht, eine Note mit der rechten Maustaste anzuklicken und aus einem Kontextmenü eine Funktion zur Bearbeitung zu wählen. Kontextmenüs gibt es in Finale jedoch nicht. Schade, das wäre eine weitere schnelle Alternative zur Menübedienung gewesen.

Für Songwriter sind natürlich auch die Textfunktionen interessant. Auch hier kann man es wieder bunt treiben, denn selbst die Schriftart und -größe ist beliebig wählbar. Selbstverständlich lassen sich Gesangstexte auch in Silben unterteilen und so den einzelnen Noten genau zuordnen. Silben trennt man einfach durch Eingabe eines "-". Weiterhin lassen sich aber auch andere Textobjekte in die Partitur einbauen, z.B. Anmerkungen, Notizen und die üblichen Kopfzeilen.

Praxis für Tastendrücker (Systemtrennung)

Da Finale nun einmal ein "Think first"-Programm ist, kommt man eher selten in die Verlegenheit, spontan ein leeres Notensystem zu erstellen und blindwütig drauflos aufzunehmen - es sind einfach zu viele Voreinstellung nötig. Unter anderem kommt man hier auch an einen Dialog, der es erlaubt, einen Splitpunkt für die Einspielung vor zu nehmen, sodass ein Klavierpart auch gleich in linke und rechte Hand unterteilt wird. Wenn man aber nicht gleich weiß, was man vorhat, sondern einfach eine musikalische Notiz aufs Papier werfen möchte, kann man auch in nur ein System ein zweihändiges Durcheinander produzieren, das danach womöglich auf Violin- und Bassschlüsselsysteme aufgeteilt werden muss (falls die Notiz dann doch das Werk des Jahrhunderts war). Hier stellt sich natürlich gleich die Frage, wie man eine solche Einspielung in ihre Bestandteile zerlegt.
Zuerst fügt man über das entsprechende Werkzeug ein neues Notensystem ein. Dann wählt man das Notenwerkzeug und stellt im zugehörigen Befehlsmenü "nach Ersetzen entfernen" ein und wählt den zu bearbeitenden Takt per Maus an. Hier kann man nun einen Rahmen um die zu verschiebenden Noten ziehen und sie ins andere System bewegen. Erschreckend finde ich hier jedoch, dass selbst diese etwas aufwändige Prozedur nur pro Takt funktioniert. Man kann leider keine zu trennenden Noten über Taktgrenzen hinweg selektieren und dann alle auf einmal verschieben, auch nicht in der fortlaufenden Ansicht, wo es ja keine Zeilenenden gibt. Selbst ein eher MIDI- und audioorientiertes Programm wie Emagic Logic bietet hier eine ausgefuchste Möglichkeit: Man zeichnet ein Trennlinie per Maus ein. So etwas fehlt Finale leider völlig, man verlässt sich hier auf die denkerische Vorarbeit des Benutzers. Derartige Stimmentrennungen gelten offenbar als Ausnahmesituation.
Alles ist jedoch nicht verloren, durchsucht man einmal die Menüs des Bewegen-Werkzeugs. Hier gibt es nämlich sehr wohl einen Punkt zur Stimmenverteilung auf mehrere Systeme. Das ist besonders für Chorpartituren sehr interessant, wenn man eine akkordische Darstellung auf mehrere Systeme verteilen und dann eventuell noch einen Stimmenauszug davon machen möchte. Diese Funktion lässt sich aber auch auf das obige Problem anwenden, allerdings wird es je nach Einspielung eher selten ein perfektes Ergebnis liefern. Das wäre nur der Fall, wenn man konsequent einen ein- oder zweistimmigen Bass eingespielt hat - dann nämlich kann man die unterste bzw. die unteren beiden Noten abspalten und einem eigenen System zuweisen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die hier vorhandenen Werkzeuge nichts für Dilletanten, sondern für Profinotierer sind. Finale verlangt Vorarbeit, dann zeigt es maximale Flexibilität. Spezielle Funktionen für spontane Chaoten findet man dafür jedoch nicht.

Layout und Drucken

Finale genügt auch professionellsten Ansprüchen, wenn es um Layout und Notendruck geht. Erstens gibt es fast nichts, was es nicht gibt, und zweitens sind das Druckergebnis und die PosScript-Exportmöglichkeiten hervorragend und umfassend, sodass auch Druckereien und Belichtungsmaschinen beliefert werden können.
Ansonsten ist auch in Sachen Seitenlayout volle Flexibilität angesagt. Über die Optionen kann man jede noch so unwahrscheinliche Editierung an den Notensystemen und -symbolen vornehmen, die Spezialwerkzeuge erlauben detaillierte Editierungen einzelner Noten bzw. an deren Darstellung wie "Winkel des unteren Balkens bei 16tel-Noten" und andere exotische Funktionen. Jeden einzelnen Bindebogen, die Artikulationszeichen, die Gesangstexte kann man mit den "intelligenten Symbolen" bearbeiten, Schriftarten festlegen, beliebige Grafiken einfügen oder die Partitur als Grafik exportieren. Hier fährt Finale volles Geschütz auf. es dürfte wohl kaum eine Spezialanwendung geben, die hier nicht möglich ist - hat man die Funktion einmal gefunden und verstanden, kann man geradezu perverse Verbiegungen des Notenbildes vornehmen. Fasst man solche Möglichkeiten gar nicht erst an, bleibt Finale dennoch ansehnlich, denn die die Standardvorgaben sind bereits sehr praxisgerecht gewähöt und dürften den meisten Ansprüchen genügen. Hier also volle Punktzahl.

Hilfe, Dokumentation und Plugins

Wie bereits erwähnt wird ein recht voluminöses Tutorial mit mehreren intensiven Übungen zu Finale mitgeliefert. Diese steigern sich ständig in Sachen Komplexität. Schnell kommt man da zwar nicht durch, aber die Übungen sind gut beschrieben und zeigen jede Menge praxisbezogener Problemstellungen auf. Wer hier konsequent arbeitet, bekommt schon das Meiste mit.
Während der praktischen Arbeit mit dem Programm kann man aber auch wie üblich die Online-Hilfe konsultieren. Die ist nun wirklich sehr ausführlich gehalten und dient als gute Referenz mit jeder Menge Hyperlinks. Hier kann ich kaum klagen, außer, dass hin und wieder ein Hauch von Übersetzung herüber weht, was aber nicht weiter stört. Dem Anspruch des Produktes angemessen, wird der User hier vorbildlich versorgt. Trotzdem geht es noch ausführlicher: Was in der Hilfe nicht steht, findet man in dem als PDF-Datei mitgelieferten Referenzhandbuch, das sich auch direkt aus Finale heraus aufrufen lässt. Manche Leute sehen aber sicher ein gedrucktes Referenzhandbuch lieber. Auch ich ziehe meist das Blättern vor. Bei dem Programmpreis könnte Coda da noch ein bisschen nachlegen.

Ein weiterer interessanter Punkt ist die Plug-In-Schnittstelle. Hier können Drittanbieter die Funktionen des Programms erweitern, was auch schon fleißig getan wird. So gibt es z.B. ein Mittelalter-Plug-In, das althergebrachte Notation im besten Wortsinn erlaubt. Diese Plug-Ins sind jedoch meist sehr speziell und aufpreispflichtig. Eine komplette Liste findet sich beim deutschen Vertrieb (siehe Linkliste).
Finale bringt aber auch schon eine Reihe eigener Plug-Ins mit, z.B. das automatische Einfügen von Dynamikangaben, basierend auf der zuvor erfolgten MIDI-Einspielung.

Angebunden

Durch ein kostenloses Update kann man die Ur-Version von Finale 2000 auf den Stand "Finale 2000c" bringen. Spielt man dann noch das aktuelle Update für ein möglicherweise vorhandenes SmartScore auf (siehe MEMI-Test), kommunizieren die beiden Programme miteinander. Wirklich eine sinnvolle Zusammenarbeit, denn nun kann man Notenblätter in SmartScore scannen und direkt in Finale-Files umwandeln lassen. Ein echter Luxus für all die, die viel mit vorgegebener Musikliteratur zu tun haben und diese weiter verarbeiten oder auch einfach als spielbare MIDI-Files verwenden wollen. Ein weiterer Vorteil dieser Anbindung: SmartScore bietet natürlich nicht den Bearbeitungskomfort eines vollwertigen Notationsprogramms. Insofern dient Finale als erstklassige "Stütze" für Aufgaben, die SmartScore konzeptbedingt nicht leisten kann.
Funktioniert das auch in der Praxis? Es tut! Um beim SmartScore-Test zu bleiben, habe ich schon wieder meine Nemesis eingescannt - Billy Joels Root Beer Rag - und das Ergebnis in Finale importiert. Hier war es nun tatsächlich einfacher, die Erkennungsfehler auszubügeln, weil Finale einfach mehr und komfortablere Methoden der Nachbearbeitung zur Verfügung stellt.
Die Kombination der beiden Programm ist nicht eben billig - SmartScore schlägt ja auch nochmal mit knapp DM 700,- zu Buche. Es wird also Profis vorbehalten bleiben, dieses Tandem zu genießen.

Fazit

Finale ist nicht zu unrecht das Monster unter den Notensatzprogrammen. Es ist schwer vorstellbar, dass es etwas gibt, was es hier nicht gibt. Natürlich bleibt Finale bei der klassischen Notation. Völlig versponnene moderne Musik mit selbsterfundenen Sonderzeichen wird man höchstens über ein Plug-In realisieren können. Dass so etwas aber prinzipiell möglich ist, zeigt z.B. das ebenfalls bei Klemm erhältliche Mittelalter-Plug-In.
Die Oberfläche des Programms bleibt stets übersichtlich, Tutorial, Referenzkarte und die sehr gute Hilfe und Online-Doku tun ihr Übriges. Dennoch hätte ich gerne ein gedrucktes Referenzhandbuch gesehen. Im Tutorial sucht man manchmal zu lange, um eine Funktion ausführlich verstehen zu können.
Ein weiteres Problem sehe ich in den teilweise zu komplexen Bedienschritten, die selbst für einfachere Editierfunktionen durchgemacht werden müssen, um zu einem bestimmten Ergebnis zu kommen. Angesichts der ungeheuren Flexibilität kann oder muss man das wohl verschmerzen. Dennoch wären in Zukunft ein paar ausgefuchste Abkürzungen empfehlenswert, z.B. über eine Makroschnittstelle oder definierbare Tastaturkommandos. Was die MIDI-Funktionen betrifft, kann ich leider fast nur Schauerliches berichten: Kompliziert, unbequem, stockend - hässliche Attribute für hässliche Funktionen. Hier muss dringend noch etwas getan werden.
Ansonsten bleibt mir nur zu resümieren, dass Finale 2000 ein absolut professionelles Programm für absolute Profis ist - es kann (fast) alles, liefert ein ausgezeichnetes Druckbild und kann mit Plug-Ins erweitert und an eine Scansoftware direkt angebunden werden. Damit dürfte Finale weiterhin der Platzhirsch bleiben. Nur an der Bedienung könnte noch ein wenig geschraubt werden.

Pro

  • sehr flexibel
  • übersichtliche Oberfläche
  • flexible Eingabemethoden
  • Erweiterungen über Plug-Ins
  • exzellente Layoutfunktionen
  • hervorragendes Druckbild
  • gute Anleitung (Tutorial und Online-Hilfe)
  • stabil und flott

Kontra

  • keine sinnvolle Verwendung der rechten Maustaste
  • Mauseditierung teilweise fitzelig
  • manche Funktionen kompliziert zu bedienen
  • völlig undurchsichtige MIDI-Editierung

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Weiterführende Links bei MEMI:

Weitere Links zum Thema:

Weitere Tests bei MEMIs Equipment & Recording Klemm Music Technology (Vertrieb)
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Autor: Christian Baum, 14.11.2000 Ein Service von MEMI.