MEMI Software-Test

 

Ableton Live Version 2

Audio Sequencing & Jamming Tool

 

Hersteller/Vertrieb Art der Software erhältlich für Preis
Ableton Audio-Sequenzer mit speziellen Windows 32-Bit € 399,- (Vollversion)
  Live-Features Mac ab OS 9.x, OS X € 89,-/69,- (Update von V1.5 Paket/Download)

 

Full ScreenWie schnell sich die Dinge ändern: Bei seiner Markteinführung revolutionierte Ableton Live die Art und Weise, wie man mit Audiomaterial live und spontan improvisieren und arrangieren kann - so etwas hatte es vorher noch nie gegeben. Ein Loop-Player/Arrangier-Tool, das in Echtzeit Audiomaterial stauchen, stretchen, transponieren und in allen erdenklichen Formen modifizieren konnte, und all dies, während man gleichzeitig "on the fly" einen Track erstellte und den Ablauf desselben auch noch abspeichern und später haargenau wieder ablaufen lassen konnte.
Ableton Live dagegen heute einem Computermusiker vorzustellen, hieße Eulen nach Athen tragen: Das Programm hat sich mittlerweile in der Electronica/Techno-Szene fest etabliert, und auch als Studio- und Sounddesignwerkzeug weiß Live vollauf zu überzeugen. Dies trifft in verstärktem Maße auf die neue Version 2 zu, um die es in diesem Testbericht geht. Künstler wie Jan Jelinek und Akufen schwören auf diese Software, weil sie einerseits einfach und intuitiv zu bedienen ist, andererseits aber auch schnelle, improvisierte Eingriffe in ein Set zulässt. Denn während man die Clips (=Audiodateien) schon vorbereitet und mit der jeweiligen Songdatei gespeichert hat, lädt das Programm geradezu dazu ein, diese jedes Mal in einer anderen Reihenfolge zu starten und so den Ablauf zu modifizieren. Oder Instrumente live einzuspielen und diese Aufnahmen sofort ins Live-Set zu integrieren.

Die neue Version 2 wurde um Weihnachten 2002 herum vorgestellt und hat seitdem einige Zwischenupdates bzw. Bugfixes erfahren (die neueste Version ist 2.0.3). Kommen wir nun zu den neuen Features, denn Live hat seit Version 1.5 einiges dazugelernt. Vorab wäre noch zu sagen, dass sich dieser Testbericht ausschließlich auf diese Neuerungen bezieht; wer Informationen über die grundsätzlichen, schon vorher vorhandenen Funktionen sucht, wird entweder beim Ableton Live 1.5-Testbericht hier bei MEMI fündig, oder auf der Homepage von Ableton.

Eine der dramatischsten Neuerungen ist sicherlich das Abschaltbare Warping. Für Neulinge: Warping bedeutet, dass importiertes Material automatisch rhythmisch analysiert und dem Songtempo angepasst wird. Was bei manchen Samples den unangenehmen Nebeneffekt hat, dass sie verzerrt klingen, ohne dass man es will (weil sie z.B. laid-back oder in einem anderen Tempo eingespielt wurden). Jetzt schaltet man den Warp-Modus ab und ist dieses "Problem" los - wobei hinzugefügt werden muss, dass das Warpen, das auf Granularsynthese basiert, an sich eine geniale Funktion ist, vor allem für Rhythmus-Loops. Bei abgeschaltetem Warp-Modus wird das Soundmaterial in seiner natürlichen Form abgespielt, leider aber nur im Loop-Modus und nicht bei nur einmaligem Triggern - hoffentlich ändert sich das in einem zukünftigen Update. Löblich hervorzuheben ist die Möglichkeit, verschiedene Warp-Arten für verschiedenes Material zu wählen (für Beats, Tones, Texture und Re-Pitch).
Ein weiteres, lang ersehntes Features ist das Metronom - der Output wird über den Prehearing-Ausgang ausgegeben und dementsprechend lässt sich dort seine Lautstärke einstellen. Mithin entfällt endlich das Anlegen einer extra Klick-Spur mit eigenen Samples; das Metronom kann darüber hinaus selbstverständlich auch mit einem Keyboard-Shortcut belegt werden.
Des Weiteren kann man das Songtempo nun durch "Tap" definieren - man tippt in der gewünschten Geschwindigkeit auf den "Tap"-Button ganz links oben (oder man weist diesem einen Midi-Befehl zu und steuert ihn über einen Controller), und schon richtet sich der ganze Song nach dem neuen Tempo. Sehr praktisch, vor allem auf der Bühne (für die, die abenteuerlustig genug sind vom vorbereiteten Tempo abzuweichen!).

Weiterhin wurde das Arbeiten im Arrange-View vereinfacht: Es gibt drei Buttons - einer für die "Follow"-Funktion (bei der die Ansicht der Song Position Linie folgt), eine für Lock Envelopes (wodurch sich Controller-Befehle nicht automatisch mit dem Verschieben der Samples, denen sie unterliegen, mitbewegen) und ein "Snap to Grid"-Symbol, mit dem man bestimmen kann, ob der Cursor automatisch am für das Audiomaterial gewählten Quantisierungsraster ein"rastet" oder an den je nach Zoomeinstellung des Arrange Views gröberen oder feineren sichtbaren "Rasterlinien".
Neue ButtonsDie Editiermöglichkeiten sind stark erweitert worden: So kann man jetzt Envelopes mit Controllerdaten teilweise oder ganz markieren und so an einen anderen Ort verschieben. Auch für die Audioclips selber gibt es neue Bearbeitungsmöglichkeiten: Endlich kann man diese durch "Splitten" teilen - wie die bekannte "Schere" in allen gängigen Sequenzern und auch wie das "Marquee"-Tool im Logic 6. So lassen sich auch "Blöcke" aus mehreren Clips gleichzeitig herausschneiden und verschieben bzw. löschen. Ein vor allem für diejenigen, die Live auch als Sequenzer im herkömmlichen Sinn (also zum Arrangieren) einsetzen, überaus praktisches Feature! Und hier gilt wie für alle Editierschritte: Die Bearbeitung erfolgt nicht-destruktiv, lässt also das Original-Audiomaterial auf der Festplatte unverändert, und es können alle Schritte rückgängig gemacht werden. Im Falle eines Crashs ermöglicht eine gespeicherte Editier-History die Wiederherstellung der letzten Version des betroffenen Live-Sets.
Einige weitere praxisnahe Details vereinfachen die Arbeit mit Live sehr, z.B. kann man Files jetzt im Live-eigenen Browser umbenennen und die Arranger-Tracks individuell in ihrer Größe anpassen. Wenn man in Live Material aufnimmt (z.B. live eingespielte Instrumente) werden die Audiodateien nicht mehr in einem global definierten Audioordner, sondern automatisch im selben Folder, in dem sich auch das Live-File befindet, abgelegt - und dort z.B. in einen Ordner mit dem Namen "XYZ Sounds", wenn die Live-Datei "XYZ" heisst. Ebenfalls neu hinzugekommen ist ein DJ-mässiger Crossfader.
Für diejenigen, die auf ihrem Monitor immer zu wenig Platz für viele Spuren/Slots ist, kann man Live mit "Full Screen" auf die ganze Bildschirmgröße "aufblasen" - alle Menüs verschwinden dann.
Redux Plug-InNeue abgefahrene Effekte sind ebenfalls an Bord (im Live-eigenen Format): Ein Gate und ein Redux, eine Art Bitcrusher für das völlig Zerhacken von Sounds in ihre Einzelteile. Der Autofilter beinhaltet nun auch neue Modi.

Des Weiteren hat sich das Ableton-Team einige Detailverbesserungen einfallen lassen, viele davon angeregt durch Threads im Ableton.com-Userforum. So soll es sein: Eine Company, die ihren Kunden zuhört und deren beim Einsatz auf der Bühne gefundene Vorschläge umsetzt bzw. Bugs schnell behebt und die Informationspolitik dabei transparent hält.

Wenn es etwas an Live 2 auszusetzen gibt (dies betrifft sowohl OS X als auch OS 9): Die Performance auf dem Mac ist nicht so gut, wie sie sein könnte. Dies ist umso befremdlicher, als das Programm auf PC-Notebooks vom Schlag eines Sony Vaio oder Toshiba sehr viele Spuren mit sehr vielen Effekten abspielt. Auf diesem Titanium Powerbook 867 Mhz dagegen kapituliert die CPU bereits nach relativ wenigen Spuren, die jeweils mit Live-eigenen Effekten belegt sind (v.a. der Reverb in First-Class-Qualität). Benützt man VST-Plugins von Drittanbietern, sieht das alles schon etwas positiver aus. Es sind also noch einige Performanceverbesserungen fürs nächste Mac-Live-Update wünschenswert. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Mit der Mac-Version von Live kann man sowohl auf OS 9 als auch X großartig Musik machen - aber Ableton scheinen dem Programm wenig bis gar keine Optimierung für den Altivec-Befehlssatz des G4-Prozessors mitgegeben zu haben, und das macht sich eben schnell bemerkbar - stellt man einen ähnlichen Song in Logic Platinum mit ähnlichen Effekten nach, schlägt das CPU-Meter nicht einmal halb so weit aus. Ein weiterer kleiner Kritikpunkt: Der "Loop"-Schalter im Clip kann nur zusammen mit dem Warp-Modus aktiviert sein - wünschenswert wäre eine unabhängige Aktivierung dieser Parameter (d.h. auch "ungewarpte" Loops). Ansonsten ist Live 2 ein fantastisches Update mit vielen neuen, sehr praktischen Features und guter Stabilität zum moderaten Update-Preis von ca. € 89,- (verpackte Version) bzw. € 69,- (Download) für registrierte Live 1.5-User oder € 399,- für die Vollversion.

Pro

    • Stabilität
    • Sinnvolle, gut durchdachte neue Features (z.B. Warping, Editierfunktionen, Full Screen-Modus etc.)
    • Implementierung von Features, die User vorgeschlagen haben

Kontra

    • Loop nur zusammen mit aktiviertem Warp Modus möglich
    • Die Performance auf dem Mac lässt noch zu wünschen übrig


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Weitere Links zum Thema:

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Autor: Roland Reinke, 12.05.2003 Ein Service von MEMI.